«Ich erwarte respektvolles Verhalten von allen»

Die ETH Zürich hat beim ETH-Rat die Entlassung einer Professorin des ehemaligen Instituts für Astronomie beantragt. Um solche Eskalationen künftig möglichst zu vermeiden, passt die ETH Zürich ihre Strukturen und Prozesse an und lanciert ein umfangreiches Massnahmenpaket zur Verbesserung der Führungs- und Betreuungssituation an der Hochschule.

Sarah Springman und Joel Mesot
Der ETH-Pr?sident Jo?l Mesot und die Rektorin Sarah Springman an der Medienkonferenz (Bild: ETH Z¨¹rich / Br¨¹derli Longhini)

Anl?sslich einer Pressekonferenz ?usserte ETH-Pr?sident Jo?l Mesot heute sein Bedauern dar¨¹ber, dass es an der ETH Z¨¹rich in der Vergangenheit zu F?llen von fehlerhaftem F¨¹hrungsverhalten gekommen ist. ?Ich m?chte im Namen der ETH alle um Verzeihung bitten, die von Fehlverhalten ihrer Vorgesetzten betroffen waren?, sagte Jo?l Mesot. Die ETH erwarte von ihren Angeh?rigen einen respektvollen Umgang miteinander, alles andere sei inakzeptabel.

Diese F?lle nur auf das Fehlverhalten einzelner Professorinnen und Professoren zur¨¹ckzuf¨¹hren, greife jedoch zu kurz. Auch die ETH Z¨¹rich habe als Institution Fehler gemacht. Die Eskalationswege h?tten bei konkreten Meldungen nicht immer funktioniert und die Kommunikation mit den Betroffenen sei w?hrend der Verfahren nicht immer optimal gewesen. So geschehen im Fall rund um eine Professorin am ehemaligen Institut f¨¹r Astronomie. Gegen die Professorin hatte die ETH im Oktober 2018, gest¨¹tzt auf die Empfehlung aus einer Administrativuntersuchung, ein Entlassungsverfahren eingeleitet. Dazu wurde eine Kommission zur ?berpr¨¹fung der Angemessenheit der K¨¹ndigung einberufen.

Voraussetzung f¨¹r Zusammenarbeit nicht mehr gegeben

Nun hat die Schulleitung der ETH Z¨¹rich beim ETH-Rat einen Antrag auf Entlassung eingereicht. Dieser Entscheid fiel, obwohl die einberufene Kommission zum Schluss kam, dass eine Entlassung aus juristischer Sicht eher nicht gerechtfertigt sei. So weist die Kommission darauf hin, dass die Professorin erst sp?t verwarnt wurde und sie dadurch keine M?glichkeit hatte, ihr Verhalten anzupassen.

Die Kommission zur ?berpr¨¹fung der Angemessenheit einer Entlassung h?lt aber auch fest, dass die Vorw¨¹rfe im Untersuchungsbericht weitgehend zutreffen, dass das Verhalten der Professorin angesichts der starken Abh?ngigkeit von Doktorierenden inakzeptabel sei und dass die Professorin keine Einsicht zeige, dass sie sich unkorrekt verhalten habe. Sie sei daher eng zu begleiten und d¨¹rfe eigentlich nie mehr, mindestens aber zwei Jahre lang keine Doktorierenden betreuen.

Weil die Betreuung von Doktorierenden aber zu den zentralen Pflichten aller ETH-Professorinnen und -Professoren z?hlt, weil nach Meinung der Schulleitung jegliche Einsicht fehlt und weil die Schulleitung keine Aussicht auf Besserung erkennt, sieht sie die Voraussetzung f¨¹r eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr gegeben.

Die ebenfalls gegen die Professorin eingeleitete Untersuchung wegen Verdachts auf Fehlverhalten in der Forschung wurde inzwischen auch abgeschlossen. Die Untersuchungskommission ist zum Schluss gekommen, dass kein Fehlverhalten in der Forschung vorliegt.

ETH verbessert ihre Strukturen und Prozesse

Die ETH Z¨¹rich setzt alles daran, dass solche Eskalationen in Zukunft m?glichst nicht mehr vorkommen. Sie hat aus den j¨¹ngsten Erfahrungen ¨C auch aus den Fehlern, die sie als Institution begangen hat ¨C ihre Lehren gezogen und verbessert ihre eigenen Prozesse und Strukturen mit einem umfassenden Massnahmenpaket. ?Unsere Professorinnen und Professoren sollen nicht nur als Forscherinnen und Dozenten, sondern auch in der F¨¹hrung ihrer Gruppen Spitze sein?, bekr?ftigt Mesot. ?Die Mehrheit von ihnen ist es bereits heute. Sie haben erkannt, dass nachhaltig exzellente Forschung in einer motivierten und gut gef¨¹hrten Gruppe besser gelingt?. K¨¹nftig werde die ETH ihre Professorinnen und Professoren noch intensiver in ihrer Rolle als Vorgesetzte unterst¨¹tzen.

Den dringendsten Handlungsbedarf sieht die Schulleitung in den Bereichen Pr?vention und F¨¹hrung sowie in der konkreten Behandlung von Konfliktsituationen (siehe Infobox unten). Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Betreuung von Doktorierenden. Um die strukturell bedingte Abh?ngigkeit zu verringern, in der sich die Doktorierenden befinden, hat die Schulleitung beschlossen, dass diese k¨¹nftig von mindestens zwei Personen betreut werden m¨¹ssen ¨C ein zentrales Element des Massnahmenpakets.

Zudem soll laut ETH-Rektorin Sarah Springman mit regelm?ssigen Feedbackrunden der Austausch zwischen Doktorierenden und Betreuungspersonen gef?rdert werden, sodass Probleme fr¨¹h erkannt und gleich zu Beginn angegangen werden. ?Mit diesen und weiteren Massnahmen, die sich aus Best-practices in unseren Ó¢»ÊÓéÀÖn und von Hochschulen weltweit ableiten, werden wir die Doktorierendenbetreuung auf eine neue Stufe heben?, so Springman. Die ETH-Rektorin betonte aber auch, dass solch tiefgreifende Ver?nderungen Zeit brauchen und die ETH bereit ist, diesen Weg konsequent zu gehen.

Die wichtigsten Massnahmen

Pr?vention und F¨¹hrung

  • F¨¹hrungskompetenzen bilden seit Anfang Jahr neben Exzellenz in Lehre und Forschung ein zentrales Auswahlkriterium bei der Berufung von Professorinnen und Professoren. Bei Hinweisen auf Defizite werden systematisch zus?tzliche Informationen oder Referenzen eingeholt.
  • Der akademische Mittelbau und die Studierenden werden im Rahmen von Panels st?rker in den Berufungsprozess einbezogen und deren Bewertung wird angemessen ber¨¹cksichtigt.
  • Ein umfangreiches Einf¨¹hrungsprogramm f¨¹r neue Professorinnen und Professoren wurde lanciert und ist ab sofort im Einsatz. Auch f¨¹r Doktorierende wird ein Einf¨¹hrungsprogramm erarbeitet.
  • Das F¨¹hrungsverst?ndnis wird mit einem umfassenden ?Leadership-Programm? weiterentwickelt. Dazu geh?ren unter anderem die Aufwertung der Personal- und Betreuungsarbeit im akademischen Umfeld sowie der Ausbau des Angebots an F¨¹hrungskursen und Coachings f¨¹r Professorinnen und Professoren.
  • Bis 2020 wird an der ganzen ETH die Mehrfachbetreuung von Doktorierenden eingef¨¹hrt.
  • Ein neuer Leitfaden f¨¹r die Rekrutierung wird Professorinnen und Professoren dabei unterst¨¹tzen, mit den angehenden Doktorierenden die gegenseitigen Erwartungen sowie die Rechte und Pflichten zu kl?ren.
  • Das j?hrliche Standortgespr?ch mit den Doktorierenden wird systematisiert und muss Themen wie F¨¹hrung, Zusammenarbeit und Entwicklung beinhalten.
  • Zur Minderung des Abh?ngigkeitsverh?ltnisses von Doktorierenden wird das Vertragswesen bis 2020 so ausgestaltet, dass ¨¹ber Anstellungsvertr?ge und deren Befristung kein Druck mehr auf Doktorierende ausge¨¹bt werden kann.

Umgang mit Konfliktsituationen  

  • Die verschiedenen Anlauf- und Meldestellen der ETH werden ab Herbst 2019 regelm?ssig geschult.
  • Die Ombudsstelle wurde von zwei auf drei Personen ausgebaut, neu behandeln zwei (vorher eine) Vertrauenspersonen die F?lle von m?glichem wissenschaftlichem Fehlverhalten.
  • Die Stelle f¨¹r Chancengleichheit soll sich k¨¹nftig auf die F?rderung der Diversit?t und insbesondere die Erh?hung des Frauenanteils auf allen Stufen konzentrieren. Meldungen zu sexueller Bel?stigung und respektlosem Verhalten sollen k¨¹nftig ¨¹ber eine Meldestelle bei der Personalabteilung behandelt werden. Noch in Pr¨¹fung ist, ob zus?tzlich eine externe Meldestelle eingerichtet wird.
  • Bis im Sommer 2019 wird der Umgang mit Meldungen und Beschwerden neu geregelt und beschleunigt. Ziel ist es, dass Meldungen umgehend angegangen und deren Behandlung wenn m?glich innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen werden.
  • Dazu wird das Case Management schrittweise zu einem Team ausgebaut. Es sorgt daf¨¹r, dass die richtigen Stellen involviert und die Beteiligten regelm?ssig ¨¹ber den Stand des Verfahrens informiert werden.
JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert